student1979 hat geschrieben:Auf meine diesbezüglichen Unmutsbekundigungen wurde dann mit Erläuterungen einer Weltsicht reagiert, die ich nicht teile und die mich auch nicht interessiert - erst recht nicht, wenn sie in so einer selbstgefälligen Polemik und unreflektiert daherkommt.
Nun, Selbstgefälligkeit sehe ich bei kursorischem - aber auch bei genauerem - Lesen auf beiden Seiten. Denn viele Argumente der Veränderungsbefürworter lassen sich auf einen Grundpunkt zurückführen: Wir sind examinierte Akademiker, wir müssen uns nicht noch anderthalb bzw. zwei weitere Jahre ausbilden lassen. Diesen Punkt halte ich aber für falsch, aus zwei Gründen:
- Erstens bedeutet umfassendes Fachwissen, das wir an den Unis ja erworben haben, noch lange keine Fähigkeit, dieses Wissen auch zu vermitteln. Wenn Wissen-Haben und Wissen-Weitergehen Hand in Hand gingen, dürfte es nicht so viele grottenschlechte und langweilige Vorlesungen an den Unis geben (denn Professoren sind ja nun mal für ihr Wissen-Haben angestellt worden); insofern ist die Vermittlung von Wissen etwas, was wir noch lernen sollten.
- Zweitens bedeutet diese Verweigerung des Lernens (ich hab da vielleicht recht drastische Kollegen, aber Äußerungen wie «Ich hab keinen Bock mehr, das alles zu lernen») ein arg seltsames Bild vom Lernen, nämlich als etwas Erzwungenes, das automatisch Belastung ist. Wie man mit so einem Bild des Lernens ausgerechnet Lehrer werden kann, bleibt mir ein Rätsel.
Was mich dagegen interessiert ist, warum es denn Eurer Ansicht nach eine so unrealistische und unumsetzbare Idee ist, die Auswahlkriterien für Fachleiter zu modifizieren und vor allem das Referendariat etwas universitärer zu gestalten, so dass Fachleiterwechsel möglich wären. Und was gefiele Euch daran nicht?
Tatsache ist nun mal, dass gerade die kleineren Fächer (ich hab Latein, kleiner geht's kaum) meist nur einen Fachleiter pro Seminar haben. Sollten dort mindestens zwei vorrätig sein - weil ja sonst keine Wechseloption gegeben ist - müsste man entweder massiv neue Stellen schaffen und dann aber in Kauf nehmen, dass einige Stelleninhaber nichts zu tun haben (sie sind dann aber wiederum zumeist verbeamtet, die kann man nicht feuern!), weil Referendare sie meiden. Realistischer dürfte da die Einschränkung sein, dass kleinere Fächer künftig an noch weniger Studienseminaren angeboten werden. Das schränkt mich aber in meiner Lebensgestaltung
noch mehr ein, schließlich muss ich dann womöglich nicht nur ein-, zweimal pro Woche mit jemandem auskommen, den ich nicht mag, sondern sieben Tage die Woche in einer Stadt wohnen, wo ich nie hinwollte.
Das heißt aber auch, dass z.B. Ausbilder A1 an Seminar S1 mit 10 Referendaren RR1 zusammengelegt würde mit Ausbilder A2 an Seminar S2 mit 10 Referendaren RR2. Weil A1 doof ist und A2 klasse, sitzen plötzlich also 20 Referendare RR1 und RR2 bei Ausbilder A2. Der bildet mehr aus, muss also im Gegenzug seinen Unterricht an der Schule reduzieren oder ganz aufgeben. Auch das ist etwas, was ich nicht möchte - weil nach meiner Erfahrung diejenigen Ausbilder mir für meinen Alltag am meisten bringen, die selbst jeden Tag mit der Schulwirklichkeit konfrontiert sind und sich an ihr messen lassen müssen.
Ferner müssten Ausbildungsveranstaltungen dann über die Woche verteilt werden, während sich jetzt viele Seminare zumindest die Mühe machen, alles auf einen Tag zu legen, um die Pendelei in Grenzen zu halten (was z.B. bei 80 km zwischen Ausbildungsschule in Korbach und Seminar in Marburg durchaus auch in monatlichen Mehrbelastungen z.B. für Sprit niederschlägt). Anders ist das kaum möglich, das Personal und die Räumlichkeiten zu organisieren; auch das schränkt mein Leben massiv ein.
Fazit: Es ist sicher nicht unmöglich, ein Referendariat anders zu gestalten - ich bin allerdings überzeugt, dass ein anderes System andere Fehler und Nachteile produzieren würde.