Disziplinprobleme

Was tue ich, wenn ....?
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kecks
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Re: Disziplinprobleme

Beitrag von kecks »

das ist schlicht entwicklungspsychologisch und sozialwissenschaftlich gedacht und eine deskriptive aussage, keine sollens-aussage. sozialisation findet irgendwo statt, und bei schulpflicht eben auch zu einem nicht unwesentlichen teil in der schule. ob man sich das zwecks erziehung zu einem bestimmten gesellschaftssystem zu nutze machen will (gerade für demokratien dringend anzuraten, bürger sein muss man, genau wie untertan sein, erstmal lernen, das fällt nicht vom himmel) oder diese ressource ungenutzt lassen möchte, *das* ist dann eine politische fragestellung.

cyhyryiys
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Re: Disziplinprobleme

Beitrag von cyhyryiys »

Ach komm, in Deutschland regnete es doch zeitdenkens Demokraten vom Himmel. Letztlich brachten uns diese Demokraten offen eingestanden jedoch nicht deutsche Schulen sondern alliierte Bomben. 8)

sabbel
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Re: Disziplinprobleme

Beitrag von sabbel »

Naja, ich finde Kecks hat in seiner Grundausssagen "Schule ist Gesellschaft im Kleinen" schon recht, in der daraus resultierenden Konsequenz aber eher nicht.
Gesellschaft bedeutet nämlich auch gewisse Normen, Werte und Regeln einzuhalten. Wenn man dies nicht macht, erhält man Konsequenz oder Nachteile (wenn ich nicht arbeiten gehe, bekomme ich kein bzw. weniger Geld, wenn ich über rot fahre, muss ich eine Strafe zahlen etc.). Diese Regeln sind allgemeingültig und in der Regel NICHT von der regierenden Partei abhängig (es könnte allerdings auch sein, dass ich einfach nicht mitbekommen habe, dass es Parteien gibt, die bei rot fahren erlauben wollen).
Es ging in meinen Augen andere Wege "Demokratie", "Mitbestimmung" etc. in die Schule zu bringen, als Regeln, die in meinen Augen eigentlich auf den "normalen" sozialen Umgang ausgelegt sind (nichts anderes sind Klassenregeln), von Schülern bestimmen zu lassen. So ist Schulhofgestaltung sicherlich ein Thema, bei dem Schüler mitsprechen sollten, von mir aus dürfen sie sogar Vorschläge zu Unterrichtsthemen machen, ABER die sozialen Regeln der Klasse sind vorgegeben!

kecks
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Re: Disziplinprobleme

Beitrag von kecks »

sind deine schüler sozial so hinterher, dass sie nicht gemeinsam auf regeln wie "wir melden uns" und "keiner wird ausgelacht" kommen? du kannst das ja dann noch ergänzen, wenn nötig. zum beispiel provoziere man eine laute und wilde diskussion zu einem unwichtigen, aber hoch umstrittenen thema ("meine lieblingsfernsehsendung" in klasse 5) und reflektiere anschließend den verlauf ("es war sehr laut" - "ich habe mich x mal gemeldet, kam aber nie dran, während der z immer reingebrüllt hat"...) und erarbeite dann gemeinsam regeln. voila. das ist doch alles kein hexenwerk und alles andere als anarchie/chaos/viel aufwand. mitbestimmung muss im kleinen gelernt werden, genauso wie gelernt werden soll, dass regeln nicht vom himmel fallen (sondern von allen gemeinsam gemacht werden und darum änderbar sind), dass regeln befgolgt werden, auch wenn ich persönlich im konkreten fall eine spezifische regel dämlich finden mag (weil wir sie gemeinsam etabliert haben und keiner eine insel ist), regelbefolgung keinen eigenwert besitzt (sondern die sich daraus z.b. ergebende fairness) und dass autoritäten nicht sakrosankt sind, sondern sich immer wieder neu legitimieren (lassen) und ihres amtes würdig erweisen müssen.

und nachher wundern wir uns, wenn alle nur über politiker schimpfen ("die sind an allem schuld, was will man da machen, ich kann ja eh nichts ändern") und sich politikverdrossen zeigen...

Hubselzwerg
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Re: Disziplinprobleme

Beitrag von Hubselzwerg »

Das Bestimmen der Regeln durch die Schüler ist doch eigentlich sowieso vera...e.
welcher Lehrer meint das ernst? Ich meine, welcher Lehrer lässt die Regeln WIRKLICH von den Schülern bestimmen? Die Schüler wissen doch normalerweise, welche Regeln sie in der angeblichen Diskussion nennen sollen.
Das ist nicht demokratisch, das ist Verdummung. (Das ist etwa so demokratisch wie eine Wahl, bei der man nur eine Partei wählen kann.)
Ich gehe davon aus, dass auch kecks es nicht zulassen würde, dass die Schüler eigene Regeln aufstellen, die das Lernen und das soziale Miteinander verhindern.

Klar kann man vorher schon festlegen, dass die Regeln dazu dienen, dass alle gut lernen können.
Das setzt aber voraus, dass der größte Teil der Schüler daran Interesse hat. Was in der Realität einfach seltener der Fall ist, als in tollen Büchern.

Ich stelle mir gerade vor, in unseren 9. Klassen dürften die Schüler die Regeln festlegen. Dabei käne raus:
man darf zwischendurch zum Rauchen raus. (Dann kann man sich auch wieder besser konzentrieren)
Man darf Essen, Trinken und raus gehen, wann man will. (Gleiche Begründung.)
Man darf zu Hause bleiben (da stört auch der Mathelehrer nicht beim Bio lernen)
Angrapschen von Mitschülerinnen ist erlaubt (ihr wisst schon, Konzentration...)

Warum mache ich es mir eigentlich so schwer und versuche in jeder Unterrichtsstunde erneut dafür zu sorgen, dass bekannte Regeln eingehalten werden?? 90% der Schüler dieser Klasse stehen nicht hinter diesen Regeln. Das ist ja total undemokratisch.
Ich lassen also die Schüler die Regeln selbst bestimmen. Wenn ich Glück habe, kommen meine Fächer und ich da gar nicht mehr vor. Ich trinke dann im Lehrerzimmer Kaffee und erfreue mich daran, dass meine Schüler sehr demokratisch werden.

Dass die eigene Freiheit dort aufhört, wo sie die eines anderen beschränkt, dass darf dann der Klassenlehrer erklären. Der hat auch Politik.
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Hubselzwerg
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Re: Disziplinprobleme

Beitrag von Hubselzwerg »

kecks hat geschrieben:sind deine schüler sozial so hinterher, dass sie nicht gemeinsam auf regeln wie "wir melden uns" und "keiner wird ausgelacht" kommen?
Genau das meinte ich! Die Schüler stellen doch gar nichts selbst auf . Sondern sollen darauf kommen, was du erwartest.
Und ja, meine sind sozial so hinterher.
du kannst das ja dann noch ergänzen, wenn nötig. zum beispiel provoziere man eine laute und wilde diskussion zu einem unwichtigen, aber hoch umstrittenen thema ("meine lieblingsfernsehsendung" in klasse 5) und reflektiere anschließend den verlauf ("es war sehr laut" - "ich habe mich x mal gemeldet, kam aber nie dran, während der z immer reingebrüllt hat"...) und erarbeite dann gemeinsam regeln. voila.

bei meinen wäre das etwa so:
Die Anführerinnen der Klasse quaken sofort, dass xy toll ist und z doof. Die Anhänger stimmen zu, der Rest sagt nichts. In der Reflexion sagen einige, dass es laut war, aber (nach Blick der "Führungskraft") dass das aber nicht schlimm ist.
das ist doch alles kein hexenwerk und alles andere als anarchie/chaos/viel aufwand.
Nö, das ist gemogelt. Das hat nichts mit Mitbestimmung zu tun. Das ist einfach so, wie viele sich Unterricht immer noch vorstellen: Der Schüler findet raus, was der Lehrer hören will.

Wenn deine Schüler so sozial sind, dass sie auf die richtigen Regeln kommen, schön für dich. Allerdings kannst du dir dann das verlogene Spielchen mit dem selbst aufstellen auch ersparen, oder?

Gibt es bei dir eine Regel zum zu spät kommen?
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sabbel
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Re: Disziplinprobleme

Beitrag von sabbel »

Kecks: Ja, meine Schüler sind zu 85% so sozial hinterher... Und ich befürchte, meine Klasse ist da einfach kein Einzelfall. Die Regeln des sozialen Miteinanders MÜSSEN vorgegeben sein (diese sind aber doch eigentlich dem normalen sozialen Miteinander entnommen). Eine Regel ist zum Beispiel, dass wir das Eigentum des anderen respektieren (jetzt frag mich aber bitte nicht, wie genau es in meinem Klassenzimmer steht, ich habe NOCH Ferien :) ). Das ist vielleicht für Dich normal, für Schüler nicht. Da steht man nämlich schonmal auf und nimmt das Lineal des anderen aus seiner Tasche. Wenn der andere das macht, dann wird aber getreten, weil "der darf doch nicht an meine Tasche". So wäre nämlich die Lösung meiner Schüler.. da habe ich keine Lust drauf. Ob sie eine sozial verträglichere Lösung selbstständig finden würden? Vielleicht im kommenden Schuljahr, im letzten nicht.
Ich kann Dir 100 Beispiele nennen: Meine Schüler (und ich bezweifle, dass dies nur meine Schüler betrifft) wären nicht in der Lage angemessene Regeln des sozialen Umgangs zu bestimmen. Die MUSS ich vorgeben, ansonsten gilt Faustrecht (auf jeden Fall bei 85%).
Ich glaube nicht, dass meine Klasse da ein Sonderfall ist. Vielleicht hast Du einfach den Vorteil, dass Deine Schüler mehr soziale Regeln zuhause gelernt haben? Ich weiß es nicht. Meiner Meinung nach funktioniert soziales Miteinander aber immer nur mit Regeln (ich haue meinem Nachbarn eben nicht auf die Nase, weil seine Bäume auf mein Grundstück wachsen und ich gehe auch nicht in den Supermarkt und marschiere mit der Tüte Chips einfach an der Kasse vorbei).

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