Lehrer werden in Israel

Abbruch des Ref? Durchgefallen - was dann?
User65
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Re: Lehrer werden in Israel

Beitrag von User65 »

@nele, @Fränzi

Vielen Dank für die anregenden Antworten!
nele hat geschrieben:Meiner Meinung nach ist die Frage aber auch heute in Deutschland nicht so einfach zu beantworten: ist ein Inhaber eines deutschen Personalausweises, nicht einmal unbedingt der Inhaber einer doppelten Staatsbürgerschaft, tatsächlich nur deutscher Nationalität, wenn er türkischer Einwanderer ist? Nach seiner eigenen Wahrnehmung genau so wie nach der Wahrnehmung seiner deutschen Mitbürger?
Auch ich bin der Meinung, dass man die Fragen nicht so einfach beantworten kann. Vielfach können es die Betroffenen noch nicht einmal selber genau. Aber sind die Antworten auch überhaupt politisch wichtig? Ich meine nicht, denn aus ihnen dürfen sich keine unterschiedlichen Rechte und Pflichten im Verhältnis zur Gesellschaft und zum Staat ergeben!
nele hat geschrieben:jüdischen Atheisten
So etwas hört sich für mich komisch an, wie ein pechschwarzer Schimmel. Aber vielleicht gibt es ja auch christliche Atheisten...
Fränzy hat geschrieben:Ich würde Israel auch sicherlich keinen säkularen Staat nennen. Btw wieso müsste er einer sein?
Diese (rhetorische) Frage hat mich nun doch sehr überrascht. Ich bin bisher der Meinung gewesen, dass es zumindest in Deutschland gesellschaftlicher Konsens ist, dass Staat und Kirche grundsätzlich zu trennen sind, weil dies ein aufklärerischer Fortschritt ist, den jeder vernünftige Staat anstreben sollte. In dem Moment, in dem sich ein Staat von bestimmten religiösen Vorstellungen leiten lässt, führt dies unweigerlich zu einer Entdemokratisierung, zur Ausgrenzung von Andersdenkenden und in letzter Konsequenz zum Despotismus. Ganz deutliche Züge davon erkenne ich auch in der Innenpolitik Israels im Umgang mit nichtjüdischen israelischen Staatsangehörigen, wenn ich da so an das klerikale Personenstandswesen denke, das in dieser Form in Deutschland immerhin schon 1871 abgeschafft wurde.
Fränzy hat geschrieben:Im Pass war Jude eingetragen. Das ist sozusagen der Nachweis (Witzig daran ist nur, dass dieser Vermerk auch bei Personen eingetragen ist, bei denen nur der Vater jüdisch ist - und die sind im religiösen Sinn auf keinen Fall jüdisch).
Fränzy hat geschrieben:Unterschwellig gabs wohl aber auch schon Abgrenzung. (sieht man ja auch schon am Passeintrag, das ist doch echt befremdlich, da in der UDSSR bei den anderen die Religion nicht eingetragen war).
Es war im Pass nicht die Religion (damit hatten es die Kommunisten nicht so sehr) sondern die Volkszugehörigkeit vermerkt! Aus sowjetischer Sicht wurden damit die Juden als Volk anerkannt. Ungefähr zeitgleich erkannte man in Deutschland die jüdische Bevölkerung als Rasse, und Juden konnten sich der Verfolgung nicht durch Konversion entziehen. Beide Regime drängten somit die Juden dazu, sich als ein eigenes Volk zu sehen.

Zum Nachdenken: welcher dieser beiden Sätze sollte richtig sein:

Wer eine jüdische Mutter hat, ist Jude.

Nur wer eine jüdische Mutter hat, kann Jude sein.
Man kann auch ohne Alkohol Spaß beim Feiern haben. Aber ich gehe auf Nummer sicher.

Fränzy
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Re: Lehrer werden in Israel

Beitrag von Fränzy »

ZUm Nachdenken ist das nicht: Das ist klar, wer eine jüdische Mutter hat, ist Jude. Ganz gleich, ob er gläubig ist oder nicht.
Man ging früher davon aus, dass das Blut nur von der Mutter kommt und das Blut der Sitz des Lebens ist. Der Vater spendet nur den Samen. Ist klar, dass das nicht stimmt, aber man weiß ja auch nur bei der Mutter, dass sie die Mutter ist. Beim Vater gibts Unsicherheiten.

Das ist schlicht religiöses Gesetz (Halacha).

Durch die Taufe wird man auch zum Christen.


Ich bin froh, dass Deutschland halbwegs säkulär ist, dennoch meine ich, dass man auf die arabische Welt (inkl. Israel) nicht unbedingt westlich-demokratische Standards anlegen darf. Ich hoffe, dass die Staaten Lösungen finden, die zu ihnen passen, ohne Bevölkerungsgruppen auszugrenzen.
שָׁלוֹם

nele

Re: Lehrer werden in Israel

Beitrag von nele »

@User65
[Jüdischer Atheismus] So etwas hört sich für mich komisch an, wie ein pechschwarzer Schimmel. Aber vielleicht gibt es ja auch christliche Atheisten...
Ich fand das Konzept auch schwer fassbar, aber das ist die Selbstdefinition der Leute, mit denen ich gesprochen habe. Dieser Begriff ist so weit verbreitet, dass einen englischen Wikipedia-Artikel gibt:
http://en.wikipedia.org/wiki/Jewish_atheism

@Fränzy
ZUm Nachdenken ist das nicht: Das ist klar, wer eine jüdische Mutter hat, ist Jude. Ganz gleich, ob er gläubig ist oder nicht.
Man ging früher davon aus, dass das Blut nur von der Mutter kommt und das Blut der Sitz des Lebens ist. Der Vater spendet nur den Samen. Ist klar, dass das nicht stimmt, aber man weiß ja auch nur bei der Mutter, dass sie die Mutter ist. Beim Vater gibts Unsicherheiten.

Das ist schlicht religiöses Gesetz (Halacha).
Wie wird damit umgegangen, wenn das Kind einer jüdischen Mutter sich dieser Definition verweigert? Aus der Sicht eines religiösen Juden gibt es, wenn ich die Sache verstehe, keine Frage, weil das göttliche Gesetz keinen Spielraum lässt. Bleibt der Konflikt dann einfach ungelöst? Gibt es soetwas wie eine Exkommunikation in der jüdischen Religion?

Nele

Fränzy
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Re: Lehrer werden in Israel

Beitrag von Fränzy »

Also auch die meisten nicht religiösen (nicht atheistischen) Juden sehen das so. Eigentlich alle, die ich kenne.

Man kann aus der jüdischen Gemeinde austreten (wie aus der Kirchengemeinde) und ist dann steuerrechtlich konfessionslos.

Aus religiöser Sicht bleibt man allerdings Jude.

Außerdem ist es kein Problem Jude zu sein und das nicht zu praktizieren. Das ist bei Christen nicht anders. (In Israel kann man aber jetzt nicht einfach sagen, dass man am Schabbes einkaufen gehen will. Die Geschäfte sind ausnahmslos zu ;))
שָׁלוֹם

nele

Re: Lehrer werden in Israel

Beitrag von nele »

Fränzy hat geschrieben:Außerdem ist es kein Problem Jude zu sein und das nicht zu praktizieren. Das ist bei Christen nicht anders. (In Israel kann man aber jetzt nicht einfach sagen, dass man am Schabbes einkaufen gehen will. Die Geschäfte sind ausnahmslos zu ;))
Naja, ich bin getauft, in der protestantisch lutheranischen Diaspora im Oldenburger Münsterland religiös gebildet und konfirmiert und aus gründlich durchdachten, atheistischen Überzeugungen aus der Kirche ausgetreten. Ich wäre erheblich angepisst, wenn man mich als Christen bezeichnen würde. Andererseits verstehe ich natürlich, dass es bei der Frage, ob man ein Jude ist, aus historischen Gründen ganz andere Motive und Überlegungen gibt.

Was den Schabbes angeht, ist die Sache für die US-amerikanischen Juden der Ostküste und speziell in New York, mit denen ich gesprochen habe, natürlich sehr viel einfacher.

Nele

Fränzy
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Re: Lehrer werden in Israel

Beitrag von Fränzy »

Ich denke, dass die Gemeinschaft für uns Juden sehr viel wichtiger ist als bei den Christen (bzw. der Mehrheitsgesellschaft) und ja, das ist wohl hauptsächlich historisch bedingt. Orthodoxe Juden würden evtl. noch auf den besonderen Bund der Juden mit dem Schöpfer hinweisen (das auserwählte Volk). Orthodoxe Juden sind übrigens recht zahlreich (um die 30%, ich würde mich auch dazu zählen). Bitte nicht mit den Locken- und Perückenjuden verwechseln, das sind Ultraorthodoxe. Ich gehe Samstags auch einkaufen, WENN es sich nicht vermeiden lässt...
שָׁלוֹם

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Re: Lehrer werden in Israel

Beitrag von User65 »

Fränzy hat geschrieben:Ich hoffe, dass die Staaten Lösungen finden, die zu ihnen passen, ohne Bevölkerungsgruppen auszugrenzen.
Die Hoffnung habe ich nicht, wenn Kleriker einer bestimmten Glaubensrichtung etwas zu sagen haben. Denn gerade das ist das eigentliche Problem in vielen dieser Länder (in Saudi-Arabien mehr, in Israel weniger).
Fränzy hat geschrieben:dennoch meine ich, dass man auf die arabische Welt (inkl. Israel) nicht unbedingt westlich-demokratische Standards anlegen darf.


Klar, man sollte nicht missionieren und sich in die innere Angelegenheiten einmischen. Wenn sie z. B. Menschen wegen Ehebruch steinigen wollen, dann sollen sie das (dort!) auch meinetwegen tun. Bei der bloßen Beurteilung der Innen- und insbesondere der Außenpolitik finde ich allerdings schon, dass man unsere Maßstäbe anlegen sollte.
Fränzy hat geschrieben:wer eine jüdische Mutter hat, ist Jude. Ganz gleich, ob er gläubig ist oder nicht.
(...)Das ist schlicht religiöses Gesetz (Halacha).
Es sollte aber kein weltliches Gesetz sein - und das ist es in Israel leider.
Fränzy hat geschrieben:Also auch die meisten nicht religiösen (nicht atheistischen) Juden sehen das so. Eigentlich alle, die ich kenne.
Dann ist für mich jetzt klar geworden, dass Juden sich - in der Mehrheit - selber jenseits ihrer Religiösität als ein Volk sehen.
Fränzy hat geschrieben:Ich denke, dass die Gemeinschaft für uns Juden sehr viel wichtiger ist als bei den Christen (bzw. der Mehrheitsgesellschaft) und ja, das ist wohl hauptsächlich historisch bedingt.
Ich kenne das auch von christlichen Minderheiten, die in der Vergangenheit verfolgt wurden. Z. B. hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Evangelisc ... rte_Kirche
Noch heute wird es sehr gerne gesehen und auch gefördert, dass die Altreformierten untereinander heiraten.


Ich danke dir, Fränzi, für deine Einlassungen und Erläuterungen, die für mich sehr interessant und auch erhellend sind. Bisher hatte ich gedacht, dass die Definition der Juden als Volk hauptsächlich eine von Antisemiten geschürte Ansicht ist ("Geht doch in euer Land!"). Das scheint aber nicht der Fall zu sein; ich habe etwas gelernt - auch aus den Kommentaren von nele. Auch ihm mein Dank.
Man kann auch ohne Alkohol Spaß beim Feiern haben. Aber ich gehe auf Nummer sicher.

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