Ach ja, wie edel und gut, mündige Bürger heranziehen zu wollen !Die Aufgabe eines Pädagogen (so meine Überzeugung) erschöpft sich nämlich eben nicht darin, die Schüler auf die Arbeitswelt vorzubereiten, sondern auch (und das halte ich sogar für noch wichtiger) sie zu mündigen Bürgern zu erziehen (wobei hier das Wort "erziehen" schon wieder einen neuen Diskussionspunkt eröffnet).
Bloß, das nützt alles nichts, wenn unsere Schüler auf dem Arbeitsmarkt durch einen schlechten Eindruck von der Schule, den die Chefs gewinnen (Bei uns in der Kleinstadt kennt jeder jeden!), weniger Chancen haben als Schüler von konservativeren Schulen.
Der mündige Bürger ist für mich, aufgrund meiner jahrzehntelangen Praxiserfahrung, immer mehr zur Utopie verkommen, wie z.B. die gerechte Gesellschaft. Bei unseren intellektuell einfach gestrickten Schülern sind wir schon froh, wenn sie den Wert einer demokratischen Gesellschaftsordnung überhaupt im Ansatz erkennen und zumindest von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen.
Bei allzu betonter Erziehung zum mündigen Bürger, wenn wir Lehrer z.B. mit ausgeflippter Kleidung bei den Personalchefs negativ auffallen würden, würde es bei etlichen Schülern später mit der Mündigkeit nicht mehr so weit her sein, wenn sie ohne Ausbildungsplatz und Job auf der Straße stehen und aus Frust nicht mehr zur Wahl gehen oder extremistische Parteien wählen, während die eifrigen Mündigkeitserzieher (Lehrer) weiterhin in Amt und Würden ihr Geld kassieren.
Mündigkeit und Selbstverwirklichung ja, bin aber der Meinung, dass vorher eine berufliche und materielle Basis dafür geschaffen werden sollte. -Man muss sie sich leisten können !
Adorno und Konsorten waren gut bezahlte Lebenstheoretiker, die sich mit der realen Welt der Schüler aus einfachen Elternhäusern wie bei uns in keiner Weise auseinander setzen mussten und von ihr abhängig waren.